Digitalisierung von Bestandsdaten
Am 07. November 2019 hatte map topomatik Interessenten aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zu einem Praxisdialog mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft in das Empire Riverside Hotel in Hamburg eingeladen. Zahlreiche Teilnehmer nahmen die Einladung an und erlebten ein spannendes und informatives Tagungsprogramm. Das Feedback war eindeutig positiv.
Digitale Bestandsdatenerfassung und BIM wie hängt das zusammen
“Digitale Bestandsdatenerfassung und BIM wie hängt das zusammen?” – und welche Prozesse stehen hinter diesem Zusammenhang? Zur Einführung der Veranstaltung erläuterte Gastgeber Sven Axt, Geschäftsführer von map topomatik, wie der Zusammenhang dieser beiden Aspekte zu verstehen ist: Bestandsdaten sind Immobilienobjekte und Bauteile die materiellen Charakter haben.
Doch Bestandsdaten sollten über die Grenzen des Wohnungsunternehmens hinaus gedacht werden, um Redundanzen (doppelte Datenhaltung) und Inkompatibilität zu vermeiden. Akteure müssen auf der Basis ihrer Daten und Systeme miteinander kommunizieren (Stromabrechnung, Reparaturaufträge, Pflegeleistungen …). Um sicherzustellen, dass die Systeme sich verstehen, sollte ein offener Standard genutzt werden, der einen absprachelosen Datenaustausch ermöglicht.
Berater entwickeln gerne individuelle Regeln für das Thema Bestandsdaten und das auch häufig noch mal prozessbezogen. Je nach ERP-, Berater- oder anwendungsspezifischem Schwerpunkt entstehen dabei Insellösungen, die den Anforderungen an ein digitalisiertes Unternehmen nicht genügen. Selbst Unternehmen, die für sich eine eigene und durchgängige Lösung zum Thema Bestandsdaten entwickelt haben, leben aus der globalen Perspektive betrachtet, auf einer Insel. “BIM mischt die Karten neu und fordert offene standardisierte Formate, die einen absprachelosen Datenaustausch aller beteiligten Dienstleister ermöglichen. Dieses Vorgehen ist unvermeidlich, wenn wir es mit der Digitalisierung ernst meinen,“ lautet die Kernthese von Sven Axt.
Nutzen für die Wohnungswirtschaft auf dem Weg in die Digitalisierung
Die Initiative des Bundesministerieums für Witschaft und Energie “Mittelstand digital” fordert mittelständische Unternehmen dazu auf, sich um die Digitalisierung in ihrem eigenen Unternehmen zu kümmern. Mit digitalen Technologien können Geschäftsprozesse effizienter und flexibler gesteuert und kontrolliert werden. Unternehmen, die diese Anforderungen zukünftig nicht erfüllen, begeben sich in einen Wettbewerbsnachteil. Das „Kompetenzzentrum Planen und Bauen“ ist Teil von Mittelstand-Digital mit insgesamt 25 Kompetenzzentren. Ralf-Stefan Golinski, Botschafter für das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Planen und Bauen erläuterte in seinem Vortrag “Nutzen für die Wohnungswirtschaft auf dem Weg in die Digitalisierung” die Vorgehensweise bei der Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen in dem Prozess zur Digitalisierung .
Das Kompetenzzentrum bietet Vorträge, Workshops und diverse Veranstaltungsformate, um die Unternehmen bei der Umsetzung zur Digitalisierung zu unterstützen. Es arbeitet mit realen Praxis-Demonstratoren und zeigt was heute schon technisch und digital möglich ist. Es stellt den Rahmen und begleitet fachlich. Ansprechpartner finden sich unter https://www.kompetenzzentrum-planen-und-bauen.digital/.
Softwarelösungen für die Digitalisierung
In dem Referat “Softwarelösungen für die Digitalisierung” stellte Dipl.-Ing. Karsten Dankers, immo-it- services GmbH, Lösungen zur Prozessoptimierung vor. Er erläuterte, wie der Übergang von der Nutzung von ERP-Systemen hin zu einem Datenmodell aussehen könnte. Hier ging es auch um die These, dass die Wohnungswirtschaft die eigene Infrastruktur nicht an andere Konzerne wie beispielsweise Wasserversorger abgeben, sondern damit eigene Wertschöpfung betrieben werden sollte. Das gelingt nur über das Datenmodell. In dem vorgestelltem Konzept stehen die Arbeitsabläufe des Unternehmens im Mittelpunkt (workflow). Energiemanagement, Gebäudemanagement, Sicherheit und Komfort und Effizienz sind die Themen der Wohnungswirtschaft. Diese gilt es in einem multifunktionsfähigem Gateway zu integrieren. Karsten Dankers erklärte in seinem Vortrag beispielhaft wie diese Modelle funktionieren könnten.
Neues BIM für alte Wohngebäude
Der Einsatz der BIM-Methodik für Bestandsgebäude bedarf noch intensiver Forschung und Auseinandersetzung um die theoretische und praktische Handhabung. Expertenrunden wie dieser Praxisdialog offenbaren einen hohen Diskussionsbedarf. Welchen Nutzen bringt BIM für die Bewirtschaftung von Bestandsgebäuden? Welchen Beitrag können Geodaten hier liefern? Kann BIM überhaupt auch auf die Bewirtschaftung von Gebäuden übertragen werden? Diese Fragen wurden in dem Beitrag “Neues BIM für alte Wohngebäude” von Prof. Christian Clemen, HTW Dresden gestellt und neue Ansätze für die Beantwortung geliefert.
Das Forschungsprojekt IMMOMATIK
Das Forschungsprojekt IMMOMATIK befasst sich explizit mit der Entwicklung eines Prototyps einer prototypischen Webservice -Architektur, die Bestandsdaten für das Facility-Managements (FM) in der Wohnungswirtschaft zur Verfügung stellt. Dabei werden offene Formate verwendet – sowohl bei der Speicherung der Bauwerksmodelle, als auch beim prozessbasierten Datenaustausch. Auf diese Weise soll ein transparentes und effizientes Asset-Management über den gesamten Lebenszyklus von Immobilien in der Wohnungswirtschaft erreicht werden. Geo- und Bauwerksinformationen werden gemeinsam dargestellt.
Wesentliche fachliche Neuerungen in dem Projekt sind die semantische Fokussierung auf die Wohnungswirtschaft, die Datenerfassung und Datenmigration als Kernfunktion und die gemeinsame Modellierung von Innenbereich (BIM) und Außenbereich (GIS). Das Ergebnis wäre eine aktuelle und vollständige Sicht auf den Zustand eines Gebäudes, die Einsparung von Kosten durch die zur Verfügung gestellten Informationen und eine nachhaltige Entwicklung durch eine langfristige Datenerhaltung.
Die Innovation von IMMOMATIK ist es, die strukturiert und inhaltlich angereicherten Daten, die mittels Vermessung, CAD und GIS erfasst werden, über eine semi-automatische Pipeline in das BIM Modell zu aggregieren. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft unter der Leitung von Christian Clemen arbeitet gemeinsam mit map topomatik an diesem Forschungsprojekt. Die Ergebnisse sind vielversprechend und deuten darauf hin, dass BIM zukünftig auch auf Bestandsgebäude angewendet werden kann.
ReOrganisationsProjekt (ROB)
Anschaulich referierte Uwe Gabriel, Technischer Leiter der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf Bille das “ReOrganisationsProjekt (ROB)” seines Unternehmens. Der Aufbau und die Pflege eines Anlagenkatasters unter Berücksichtigung der Betreiber- und Verkehrssicherungspflichten bezogen sich auf jeglichen technischen Bereich und wurden unter Berücksichtigung der gesetzlichen Eigentümerpflicht umgesetzt. Die wirksame, digitale rechtssichere Dokumentation der durchgeführten Verkehrssicherungspflichten umfasste einen großen Teil der Reorganisation. Das umfangreiche Anlagenkataster von der unterirdischen Infrastruktur, Baumkataster, Außenanlagen, Gebäude- und Wohnungsausstattung etc. wurden mit Hilfe des Managementtools ImmoSpector digital erfasst.
Einführung eines digitalen Managementsystems für die Verkehrssicherung
Reorganisationen zur Digitalisierung betrifft die gesamte Wohnungswirtschaft. Der Vortrag von Jens Deutschmann von map topomatik erläuterte am Beispiel der “Einführung eines digitalen Managementsystems für die Verkehrssicherung, das Freiflächenmanagement und die Baumpflege” bei der FRIEDENSHORT Wohnungsgenossenschaft, wie die Digitalisierung umgesetzt wurde.
Die Ausgangssituation der Wohnungsgenossenschaft lieferte keine digitalen Grundlagen für digitale Geschäftsprozesse; eine effiziente, digitale und zukunftssichere Unternehmensorganisation war nicht gewährleistet. Die Umsetzung zu einem zukunftssicherern digitalen Unternehmen, erfolgte durch die Erfassung der Bestandsdaten. Das betraf das Baummanagement, Bäume wurde als Geodaten in Art, Größe und Standort erfasst, und das Freiflächenmanagement durch Erfassung der Freiflächen mit Drohnen.
Bei Abschluss des Projektes sind wesentliche Ziele erreicht worden: Die digitale Zusammenführung von Verwaltung, Kontrolle und Pflege des Immobilienbestandes; das Hosting vollständiger, geschützter und rechtssicherer Daten; standadisierte Abläufe und die Einbindung externer Dienstleister über Schnittstellen für Pflege und Wartung. Ein großer Schritt dieses Unternehmens in Richtung modernes, digitales und zukunftssicheres Unternehmen nach dem Motto: Nicht planen, sondern machen.
“Wohnungsbestand online!”
Wie die attraktive Darstellung des Wohnungsbestandes im Web aussehen kann, stellte Sönke Richardsen Geschäftsführer Renosoft und Softwareentwickler für map topomatik den Teilnehmern vor. In Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf Bille wurde der gesamte Wohnungsbestand online auf der Karte abgebildet.
Karten bilden die Basis. Durch Layer werden Quartiere, Wohnanlagen und Gebäude abgebildet. Ebenso Details wie Anzahl der Wohnungen, Zimmeranzahl, Größe und Wohnungsschlüssel. Auch Stadtteilinformationen – POI (Points of Interest) – können eingesehen werden.
OpenStreetMap
OpenStreetMap bietet zahlreiche Informationen wie Apotheken, Krankenhäuser etc. map topomatik hat einen eigenen POI Server aufgebaut, z.B. Kindergärten in der Umgebung. Die Gebäude und Stellplätze stammen aus der Digitalisierung des Immobilienbestandes der Bergedorf Bille. Auch die Bilder wurden aus dem Bestand der Genossenschaft übernommen. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille entwickelt und ist seit einigen Monaten im produktiven Einsatz. https://bergedorf-bille.de/wohnen/wohnungsbestand-online/
Im Anschluss des Praxisdialogs entstand eine rege Diskussion, die round table Charakter hatte. Nicht nur die Fragen des Publikums wurden durch Lösungsansätze beantwortet, es entstanden auch kontroverse und daher konstruktive Auseinandersetzungen unter den Experten. Die Veranstaltung wurde von den Teilnehmern sehr positiv bewertet. Die Informationen begleiten die Gäste, die zum größten Teil aus der Wohnungswirtschaft kamen, auf dem Weg in die Digitalisierung ihres eigenen Unternehmens. Viele Schritte liegen noch davor. Diskussionen, informeller Austausch und Expertenwissen bringen die Wohnungswirtschaft einen Schritt weiter. Dazu hat diese Veranstaltung beigetragen.